Geologie und Geomorphologie des Böhmischen Massivs
vor 1 Mrd. Jahren | vor 300 bis 250 Mio. Jahren | vor 65 Mio. Jahren | vor 2-3 Mio. Jahren
Die Landschaft zwischen der Donau im Süden und der Moldau im Norden gehört zu einer der ältesten Regionen Mitteleuropas, der Böhmischen Masse . Sie ist Teil des ausgedehntesten Gebirgsareals Europas. Kristalline Gesteine sind die vorherrschenden Formationen der Böhmischen Masse.
Langgestreckte Kämme und Rücken in Südost-Nordwest-Richtung (herzynische Streichrichtung) mit Erhebungen von über 1000 m durchziehen das Gebiet und verleihen der Landschaft ihren Mittelgebirgscharakter. Die von Südost nach Nordwest verlaufenden Linien, die sich nicht nur im Verlauf der Gebirgszüge widerspiegeln, sondern ebenso zahlreichen Bächen und Flüssen den Weg weisen, sind das Ergebnis bruchtektonischer Vorgänge entlang von Schwächezonen. Diese bildeten sich im Zuge der Kollision des alpidischen Orogens heraus, wodurch der starre Gebirgsblock zerbrach und in kleinere Schollen und Platten zerlegt wurde.
Am Westrand der Böhmischen Masse gelegen wird der Bayerische und Böhmerwald vorwiegend aus Gneisen, metamorphen basischen magmatischen Gesteinen und Anatexiten aufgebaut: Produkte ihrer geologischen Entwicklung im Laufe der Erdgeschichte.
vor 1 Mrd. Jahre
Die erdgeschichtliche Entwicklung des Bayerischen und Böhmerwaldes begann bereits vor fast einer Milliarde Jahre, im Proterozoikum. Sande, Tone und Mergel wurden in einem tiefen Meeresbecken abgelagert. Durch die Auflast sanken sie in Tiefen bis zu 30 km ab. Sie gelangten in Bereiche der Erdkruste in denen hohe Drücke (ca. 3000 bis 4000 bar) und Temperaturen (400 bis 600°C) herrschten. Durch die Metamorphose unter diesen extremen Bedingungen entstanden die Gneise , die ältesten Gesteine des Gebirges. Sie stellen das Ausgangsmaterial für die Bildung weiterer Gesteine im Zuge jüngerer Gebirgsbildungen dar.
Die Plattentektonik stellt den Motor der Gebirgsbildungen dar, unbekannt bleibt allerdings das "wie". Von den verschiedenen Möglichkeiten, die bei der Genese des Bayerischen und Böhmerwaldes zur Diskussion stehen, sei nur eine genannt: durch den Kontakt zweier Mikroplatten (bohemische und moldanubische) kam es möglicherweise entweder zur Überschiebung der Platten oder auch zur Subduktion mit anschließender Rücküberschiebung der beiden Krusten. Aufgrund der Vielfalt der Gesteine dieser Landschaft läßt sich bis heute keine eindeutige Bildungsursache anführen.
vor 300 bis 250 Mio. Jahren
Während der variskischen Gebirgsbildung vor etwa 300 Millionen Jahren wurde der Gebirgsblock wiederum tektonisch stark beansprucht. Es bildeten sich in den Gneisen horizontale und vertikale Klüfte, in die Schmelzen aus Magma eindrangen: So entstanden die Granite; Feldspäte, Quarze und Glimmer sind die wichtigsten Minerale dieses Gesteins.
Auch der Pfahl, der sich vor knapp 250 Millionen Jahren bildete, ist eine Folge dieser Bewegungen. Die nahezu 450 Mio. Jahre aktive Pfahl-Störungszone erstreckt sich heute über etwa 200 km: von Sulzbach bis in den Raum Linz in Österreich. Der Bayerische Pfahl mit ca. 150 km Länge ist ein Teil dieser Störungslinie. Erst durch spätere Erosion gelangte dieser Quarzgang an die Oberfläche.
vor 65 Mio Jahren
Zuletzt waren es die tektonischen Bewegungen zur Zeit der Alpenbildung im Tertiär, die das Moldanubikum erneut erfaßten: Infolge der horstartigen Heraushebung der Böhmischen Masse sowie der Absenkung des Alpenvorlandes (heutige Donauebene) entstand im Süden der Donaurandbruch - eine markante Störung, die das Waldgebirge deutlich vom südlicheren Voralpenland abgrenzt. Es wird vermutet, daß zu diesem Zeitpunkt die höchsten Erhebungen 5000 m erreichten und damit dem Bayerischen Wald Hochgebirgscharakter verliehen.
Tropische Verhältnisse im Tertiär
Im Tertiä2mior herrschten bei uns tropische Klimabedingungen: Intensive Verwitterung setzte ein und führte zum Abtrag höherer Gebirgsteile ohne auf Gesteinsunterschiede Rücksicht zu nehmen. Das flächenhafte eingerumpfte Gesicht des alten Gebirges zeugt von den warm-feuchten Verhältnissen; ebenso die Granitwollsäcke, die in diesem Verwitterungsmaterial schwimmen: sie haben dem Zugriff standgehalten. Die heutige Oberflächengestalt des Bayerischen und Böhmerwaldes ist im wesentlichen das Produkt der tektonischen Beanspruchung und intensiven Verwitterung während des Tertiärs.
vor 2 bis 3 Mio. Jahren
kühlte das Klima auf der ganzen Erde ab: das Eiszeitalter begann. Es zeichnet sich durch den mehrmaligen Wechsel von Warm- und Kaltzeiten aus. Während der längeren Kaltphasen (etwa 100000 Jahre) herrschte ein Periglazialklima. Die Bildung von Dauerfrostböden und Solifluktion waren vorherrschende Prozesse der Kaltzeiten. In den letzten 100 Jahren diskutierten die Wissenschaftler immer wieder kontrovers über das Ausmaß der Vergletscherung im Bayerischen und Böhmerwald. Inzwischen scheint sicher: Talgletscher formten nur die höchsten Teile des Gebirges.
Eindrucksvolle Zeugen der Vergletscherung in der Würm-Kaltzeit sind Seen wie der Große und Kleine Arbersee (Foto) auf bayerischer Seite oder der Lacka- und Teufelssee in Böhmen. Sie sind Kar- und Zungenbeckenseen, modelliert durch die ausschürfende Kraft des Gletschers. Jüngste Untersuchungen belegen, dass der kleine Arbersee-Gletscher zum Zeitpunkt seiner maximalen Ausdehnung eine Länge von etwa 2600 m und eine Eismächtigkeit von mindestens 115 m aufwies (Raab 1999: XI).
Die Schneegrenze der Würmvereisung reichte vor etwa 18.000 Jahren bis in eine Höhe von ca. 1000m. Das Arbermassiv und die Region um Rachel und Lusen waren im bayerischen Teil die wichtigen Vereisungszentren. Hier finden sich auch Spuren, wie Moränen und Gletscherschliffe der drei größten Tal- und Kargletscher: Kleiner Regengletscher, Reschwassergletscher, Rachelgletscher. Die Gletscher erreichten Längen von bis zu 6 Kilometern und bildeten Eisflächen mit maximal 5 Quadratkilometern. Der überwiegende Teil der Landschaft blieb aber selbst in den kältesten Abschnitten der letzten Million Jahre eisfrei. Eine Vegetation aus Sträuchern und Gräsern dominierte, vergleichbar mit der heutigen russischen Tundra. Selbst im nicht vereisten Periglazialgebiet haben die Eiszeiten ihre Spuren hinterlassen: Hier entstanden tiefgründige Dauerfrostböden, die nur im Sommer oberflächlich auftauten. Angesichts einer spärlichen Vegetationsdecke kam es dabei schon bei geringer Hangneigung zu einem hangabwärts gerichteten Bodenfließen, der Solifluktion. An Unterhängen und Talmulden kamen Fließerden, sogenannte periglaziale Deckschichten, zur Ablagerung. Sie bilden das Ausgangssubstrat der Bodenbildung in den Warmzeiten.
Weitere Relikte kälterer Klimate sind Flußterrassen in unterschiedlichen Höhenniveaus. Infolge einer Schotterakkumulation in Kaltzeiten sowie einer Tieferlegung/Einschneidung der Flüsse in Warmzeiten, können isolierte Schottervorkommen höherer Niveaus ehemaligen Flußbetten zugeordnet werden.
Dr. Hans-Peter Niller, Dr. Monika Igl, Dipl. Geogr. Ludwig Rahm
Literatur:
Ahnert F. (1996): Einführung in die Geomorphologie.440S., Stuttgart.
Bayerisches Geologisches Landesamt (Hrsg.): Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern 1:500 000, 4.Aufl., München 1996, 329 S.
Leser H., Haas H.-D., Mosimann T., Paester R. (1993): Diercke – Wörterbuch der Geographie. Bd.1u.2,Westermann, Braunschweig.
Press F. & Siever R. (1995): Allgemeine Geologie: eine Einführung, Heidelberg: Spektrum, Akad.Verl., 602 S.
Raab T. (1999):Würmzeitliche Vergletscherung des Bayerischen Waldes im Arbergebiet. Diss.Univ.Regensburg,327 S.
Schönenberg R.(1997): Einführung in die Geologie Europas. Freiburg, Rombach.