Der Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein – Wo Geschichte lebendig wird...

Im Jahr 1877 wurde der Grenzbahnhof im Eisensteiner Tal eröffnet. Schon der Grundriss des symmetrischen Gebäudes, mit der seit 1764 bestehenden Grenze als Symmetrieachse, welche durch die gemeinsame Eingangshalle läuft, lässt erahnen, wie eng die Verbindung zwischen den beiden Staaten im Herzen Europas und den Menschen in Bayern und Böhmen waren.

Zur Zeit des „Kalten Krieges“ wurde der Grenzbahnhof, der ursprünglich für den gemeinsamen Betrieb gebaut wurde, zum Symbol des Trennenden: Eine Mauer trennte den durchgehenden Bahnsteig und die Eingangshalle, das heutige Naturpark-Infozentrum „Grenzbahnhof“ in zwei Teile, über die Gleise zog sich als schmerzlich greifbarer Teil des „Eisernen Vorhangs“ ein hoher Stacheldrahtzaun.

Seit dem Jahr 2000 informiert der Naturpark Bayerische Wald e.V. in seinem „Bayerisch-Böhmische Informationszentrum für Naturparke und Nationalparke“ über die Region zwischen Donau und Moldau, über den Natur- aber auch über den Kulturraum: Ziel des Naturparks war und ist es, den Prozess „Begegnen-Verständigen-Verstehen“ beiderseits der Grenze zu verstärken. Deutsche und Tschechen sollen das Prinzip der Natur aufgreifen, die keine Grenzen kennt. Obwohl das Zusammenleben in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten nicht immer einfach war, hat sich nach Jahrzehnten der Trennung ein hoffnungsvoller Neuanfang in Gang gesetzt. Das Infozentrum soll die Chancen der Begegnung und den gegenseitigen Nutzengewinn über die Sprachbarriere hinweg zu einem Motor in der Region werden lassen, der in eine gemeinsame Entwicklung mündet. Auf dem kulturellen Sektor inspiriert man sich gegenseitig, weil beiderseits der bayerisch-böhmischen Grenze nicht nur zwei traditionsreiche Kulturen aufeinandertreffen, sondern der Grenzbahnhof gewissermaßen auch ein Tor nach Osten darstellt.

Waren die Räume des Infozentrums anfangs nur gepachtet, so erwarb der Naturpark im Herbst 2006 den gesamten deutschen Teil des Grenzbahnhofs.

Am 9. November 2009 wurde dem Naturpark für sein Naturpark-Infozentrum Grenzbahnhof, das "Bayerisch-Böhmische Informationszentrum für Natur- und Nationalparke" der "Europäische Bürger-Preis für lokales Handeln" verliehen. In seiner Würdigung betonte der Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek:

"Der Naturpark hat in dem Gebäude das bayerisch-böhmische Informationszentrum für Natur- und Nationalparke eingerichtet. Zweisprachig wird über die unmittelbar angrenzenden Großschutzgebiete informiert. Mit zahlreichen Veranstaltungen schafft es der Verein, den europäischen Gedanken anhand der Beispiele Umwelt- und Naturschutz, oftmals angereichert mit Kultur aus Bayern und Böhmen, mit Leben zu füllen. Der Verein stellt die Räumlichkeiten auch für symbolträchtige Veranstaltungen, etwa anlässlich des Wegfalls der Grenzkontrollen im erweiterten Schengenraum oder für grenzüberschreitende Festtafeln zur Verfügung. Der Naturpark Bayerischer Wald e.V. hat so die Chance genutzt, aus dem einmalig gelegenen Grenzbahnhof eine Stätte des Zusammenlebens und Zusammenwachsens zu schaffen."

 

Auf den folgenden Seiten finden Sie einen Überblick über die Geschichte des Grenzbahnhofes Bayerisch Eisenstein
und Sie können hier eine Auswahl an Bilder zur Geschichte des Grenzbahnhofs Bayerisch Eisenstein ansehen.

Die Geschichte des Grenzbahnhofs im Überblick

  • 19.03.1856 Gründung der „Königlich privilegierten Aktiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen als Privatgesellschaft
  • 26.11.1867 Antrag auf Bau einer Bahnlinie von Deggendorf nach Eisenstein bei den königlich-bayerischen Entscheidungsträgern
  • 13.11.1872 Veröffentlichung der „Conzessionsurkunde“ im Reichsgesetzblatt
  • 30.03.1873 Abschluss eines Staatsvertrages Bayern-Österreich
  • 1874 Beginn des Waldbahnbaus Richtung Grenze von Klattau und Deggendorf aus
  • 13.09.1876 Bau der Deffernik-Brücke
  • 1876 Großbaustelle am Grenzbahnhof
  • 1877 Fertigstellung des Grenzbahnhofs, Inbetriebnahme; er wurde bereits damals zur Touristenattraktion, nachdem München und Prag durch eine Eisenbahn verbunden waren; Gebäude 120 m lang, Grenze geht mitten hindurch
  • 20.10.1877 Der erste Zug trifft im Bahnhof ein
  • Um 1900 Blütezeit des Grenzbahnhofes; zeitweise sind bis zu 120 Personen beschäftigt
  • 1918 Nach Ende des 1. Weltkrieges entsteht aus der bayerisch-österreichischen die bayerisch-tschechoslowakische Grenze
  • 1938-1945 Reichsbahnverwaltung, deutsche Besatzung
  • 01.05.1945 US-Feldpolizei übernimmt die Kontrolle über die Grenze
  • Juni 1945 Tschechisches Militär zieht in den tschechischen Bahnhofsteil ein
  • Dez. 1945 Wiedereröffnung der Bahnlinie Bayerisch Eisenstein-Plattling
  • 1945-1953 Auf tschechischer Seite kein Bahnverkehr, nur Austausch von Güterwägen
  • April 1946 Bayerische Grenzpolizei übernimmt Aufsicht über den Grenzbahnhof
  • 1947 Amerikaner errichten auf dem Bahnhofsvorplatz als zusätzliche Grenzsicherung und als Sichtschutz einen Bretterzaun
  • 1948 Amerikanische Feldpolizei zieht ab
  • Frühjahr 1948 Mit Machtübernahme durch die Kommunisten liegt der Bahnhof in der stark gesicherten Grenzsperrzone
  • 1953 Eisenbahnverkehr auf tschechischer Seite wird ganz eingestellt, nachdem es bisher noch wenigstens den Austausch von Güterwägen gab; über die Gleisanlagen wird von den Tschechen ein hoher Drahtzaun gezogen.
  • 1974 Aufgabe der Strecke Zwiesel – Bayer. Eisenstein als Hauptbahn
  • 1980 Deutsche Bundesbahn baut am Grenzbahnhof Stellwerk und Signale ab
  • 1989 „Samtene Revolution“ in der Tschechoslowakei
  • 03.02.1990 50.000 Personen bilden eine Menschenkette zwischen Bayerisch Eisenstein und Zelezna Ruda
  • 02.06.1991 Besuch von Bundeskanzler Helmut Kohl: „20.000 Leute aus beiden Ländern feiern den Fall des Eisernen Vorhangs
  • 1994 Es gibt Ideen zur Errichtung einer „grenzüberschreitenden Begegnungsstätte“ im Mittelteil des Grenzbahnhofs; der Landschaftsraum von der Donau zur Moldau und die vier angrenzenden Großschutzgebiete Naturpark Bayerischer Wald, Nationalpark Bayer. Wald, Nationalpark Sumava und Landschaftsschutzgebiet Sumava sollen vorgestellt werden
  • Herbst 1999 bis August 2000 Restaurierung des tschechischen Bahnhofteils über das EU-Förderprogramm PHARE-CBC
  • 12.10.2000 Eröffnung des „Naturpark-Infozentrums Grenzbahnhofs“ im Beisein von über 300 geladenen Gästen
  • 01.05.2004 EU-Beitritt der Tschechischen Republik
  • 28.05.2006 Durchgehende Waldbahnzüge nach Železna Ruda und Špicak
  • 28.07.2006 Verkaufsannonce für den Grenzbahnhof in der Süddeutschen Zeitung
  • 25.09.2006 Kauf des Grenzbahnhofes auf deutscher Seite durch den Naturpark Bayer. Wald e.V.
  • April - November 2007 Entrümpelung deutscher Bahnhofsteil durch RENOVA-Maßnahme
  • 23.09.2007 Bahnhofsfest: "130 Jahre Grenzbahnhof" und " 10 Jahre Waldbahn"
  • 21.12.2007 Wegfall der Grenzkontrollen mit Unterzeichnung des "Schengen-Abkommens"
  • April - November 2009 und März - August 2010 Bauteilfreilegung und Entkernung des deutschen Bahnhofsteiles
  • 23.08.2010 Baubeginn zur Generalsanierung des Grenzbahnhofes
  • 04.06.2011 Bahnhofsfest mit Dampfzugfahrt: 20 Jahre Grenzöffnung
  • 10-07.2014 Eröffnung der NaturparkWelten (4 Museen im Hauptbau des deutschen Bahnhofsteiles, dreisprachige Ausstellung)
  • 14.03.2015 Offizielle Eröffnung von Museumscafe und Restaurant im Historischen Wartesaal 1. Klasse

obige Kurzzusammenstellung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit
Autor: H. Löfflmann. Quellen: Infotafeln: Zug der Zeit, Geschichte des Eisensteiner Tales

Auswahl an Bildern zur Geschichte des Grenzbahnhofs